Das Langzeitgedächtnis unserer Böden

Autor: Dr. Frank Liemandt, IG Waldbodenschutz

Zwischen den hohen Hopfenpflanzen sind die Sachverständigen der Münchener & Magdeburger unterwegs – mit dem Tablet in der Hand. Ihre Begutachtung erfolgt jetzt digital, das geht schnell und transparent. Auch im Hopfengarten.

Es ist Hochsommer in Bayern, die Sonne brennt vom Himmel, es hat über 30 Grad an diesem Vormittag Mitte August. Der Schatten zwischen den Hopfenpflanzen ist eine willkommene Erholung. Georg Kellerer bleibt bei einer Pflanze stehen und blickt mit zusammengekniffenen Augen an ihr hinauf. „Abschlag. Verlust circa 30 Prozent“, murmelt er und sein Kollege nickt zustimmend. Sie gehen weiter, halten immer wieder an und tauschen sich darüber aus, wie sehr die Pflanze geschädigt ist. Beide tragen grobe Wanderschuhe und wetterfeste Kleidung, man sieht ihnen an, dass sie es gewohnt sind, auf dem Feld zu stehen. Sie sind Schätzer der Münchener & Magdeburger Agrar und gerade zurzeit sehr viel auf den Feldern unterwegs. Es ist die Hochzeit der Endabschätzung im Hopfenanbau. Hier in der Hallertau wird heute begutachtet, welche Schäden der Hagel Ende Mai an der Ernte angerichtet hat. Die Begutachtung liegt ganz knapp vor der Ernte, um den endgültigen Schaden bestimmen zu können.

Ein Unglück kommt selten allein: Das Jahr 2018 brachte mit Sturmtief Friederike, der großen Trockenheit sowie dem Borkenkäferbefall gleich drei Kalamitäten von historischem Ausmaß. Mit der Aufarbeitung der Schäden sind die Waldbesitzer deutschlandweit noch lange beschäftigt. Auch 2019 warteten sie zu Beginn des Jahres vielfach vergeblich auf Niederschläge, zudem ist der Eichenprozessionsspinner als weiterer Schädling hinzugekommen.

 

Saure Böden sind das tieferliegende Problem

Die lange Trockenheit war mit Abstand die Hauptursache für die in Folge von Friederike auftretenden Kalamitäten. Besonders stark fielen die Schäden überall dort aus, wo die Böden in schlechtem Zustand sind - sprich versauert. Denn es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Wurzeln von Bäumen geschädigt werden, bzw. erst gar nicht in Bodenhorizonte eindringen, deren pH-Werte zu niedrig sind. Das und die geringen Niederschläge führten dazu, dass potenziell in tieferen Bodenschichten vorhandene Feuchtigkeit unerreichbar bleibt. Die Bodenversauerung verstärkt also einerseits den Trockenstress für die Bestände und vermindert andererseits ihre Abwehrkraft. Bei Wassermangel verlieren die Bäume die Fähigkeit, sich mit Harzabsonderung gegen Fraßschädlinge zu wehren. Außerdem macht zu geringe Verwurzelung im Boden sie sturmanfälliger. Auch Wiederaufforstungen misslingen, weil die Setzlinge nicht in tiefere Bodenschichten vordringen, sondern nur in der Humusauflage wurzeln.

Wälder vergessen nicht

Im Bundesgebiet gelten 70 Prozent der Wälder als geschädigt. Zu diesem Ergebnis kommen die forstlichen Versuchsanstalten anhand umfassender Bodenzustandserhebungen an mittlerweile über 1300 Messpunkten zwischen 1987 und 2008. Böden haben ein Langzeitgedächtnis, der heutige Zustand ist die Spätfolge der vormals hohen Schadstoffbelastung durch Kraftwerke und Industrieanlagen in Zeiten vor Katalysatoren und Rauchgas-Filter-Anlagen. Die Erhebungen zeigten aber auch, dass vor allem Bodenschutzkalkungen helfen, den ph-Wert der Böden auch in tieferen Regionen wieder zu neutralisieren, und somit die Wälder vitaler zu machen. Dabei werden zum Ausgleich der in den Waldböden angehäuften und aktuell immer noch eintreffenden Säuren Naturkalke, – genauer kohlensaure Magnesiumkalke – möglichst umwelt- und bodenschonend mit dem Helikopter ausgebracht. Diese Kalke – es handelt sich um fein gemahlenes Gestein – haben einen möglichst hohen Magnesiumgehalt. Magnesium ist ein wichtiger Baustein des Chlorophylls, also des Blattgrüns. Das wirkt auch der Nadel - und Blattvergilbung als Folge der Bodenversauerung entgegen.

Kennen Sie den Gesundheitszustand Ihres Waldes?

Die Experten der IG Waldboden bei der Begehung eines Waldes nach dem Herbststurm

Bodenschutzkalkungen sind daher auch Bestandteil der „Waldstrategie 2020“ des Bundes. Bund und Länder kalken entsprechend selbst ihre Staatswälder bzw. fördern aktiv solche Maßnahmen für Privatbesitzer. Aber: viele Waldbesitzer wissen weder um den – möglicherweise – bedenklichen Zustand ihrer Böden, noch ob es in ihrem Bundesland eine Fördermöglichkeit gibt, bzw. wie die Mittel über eine korrekte Antragstellung abgerufen werden können. Hier bietet die IG Waldbodenschutz Hilfe in vielfacher Form. Die Ende 2017 gegründete IG ist ein Zusammenschluss von Personen und Unternehmen, der sich aktiv für den Schutz und die Gesundung der Wälder einsetzt. Die Mitglieder des deutschlandweiten Netzwerks sind ausgewiesene Experten zum Thema Waldboden, Anbieter von Bodenschutzkalkungen und natürlich Waldbesitzer.

Lokale Experten unterstützen und entlasten so vor Ort gezielt interessierte Waldbesitzer bei den länderspezifischen Antragsformalitäten. „Einen Antrag richtig zu stellen, respektive einen positiven Bescheid zu bekommen, hängt grundsätzlich von zwei Fragen ab. Erstens: Ist mein Bestand förderfähig? Und zweitens: Habe ich hinsichtlich des Förderantrages alles richtig gemacht?“, erklärt Burkhard Eusterwinter, Diplomagraringenieur und Mitglied bei der IG Waldbodenschutz. Aktuell laufen zum Beispiel Projekte in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Thüringen oder auch Sachsen. Details zeigt die Homepage der IG Waldbodenschutz. Anträge für Förderungen gibt es bei den jeweiligen Regional-Forstämtern. Meist folgt auf den Antrag die Ziehung von Bodenproben, deren Ergebnis zeigt, ob der Bestand kalkungsbedürftig ist. Antrag und Ergebnis der Probe gehen dann zurück über das Forstamt an die zuständigen Stellen im Ministerium.

„Die positiven Effekte, angefangen von der signifikant erhöhten Biodiversität bis hin zur gesamten Revitalisierung des Waldes sind enorm“, so Eusterwinter. Seine Empfehlung an alle Waldbesitzer lautet daher: „Auch wenn die aktuellen Herausforderungen noch so groß sind, Vorsorge und damit vitale Bestände sind der beste Schutz gegen Kalamitäten“. Mehr Informationen finden Sie unter www.waldbodenschutz.de